Samstag, 10. Januar 2015

Verkehrshindernis

Es ist düster draussen,
zu düster, um mit Lust und Kamera ein paar Bilder zu machen.
Ach dann schreib ich eben mal was.
Gestern fuhr ich U-Bahn. Ich bin ein begeisterter Vertreter des öffentlichen Transportwesens. Aber es fällt mir schwer, diese Begeisterung an Tagen, wie diesen aufrecht zu erhalten.
Fahrscheinkontrolle.
Die Begegnung Fahrscheinkontrolleuren ist noch schlimmer, als stürmischer Nieselschneeregen in Sommerhosen.
Neulich war es dann mal wieder soweit. Betont unauffällig betritt eine Truppe auffällig bürgernah gekleideter Personen das Zugabteil und bleibt, sich schon mal unauffällig nach potentieller Beute umsehend, im Gang neben den Türen stehen. Wäre ich ein sibirischer Tiger, würde ich jetzt laut gähnend meine Zähne zeigen und ein bisschen mit den Krallen den Boden kratzen. Meine Zähne sind nicht so imposant und ich habe Schuhe an, kann also nicht einmal ein bisschen den Boden kratzen. Kaum sind die Türen zu, kommt Bewegung in das Grüppchen, sie holen ihre an Kettchen hängende Ausweisschilder und gefährlich aussehende Kontrolldruckauswerfapparate hervor und rufen im Militärbarackenkommandoton laut "Fahrscheinkontrolle". 
Um mich herum fangen die eingeschüchterten Reisenden an, in ihren Taschen zu wühlen und halten ängstlich, so sie fündig geworden sind, ihre Zettelchen den Kommandobrüllenden entgegen. 
Ich versuche vorbildlich und ermutigend für meine Mitreisenden ein angemessenes Protokoll einzuhalten, warte auf eine freundliche und für mich nachvollziehbare Legitimation und ein höflich vorgetragenes Interesse woran auch immer. Dann kann ich entscheiden, ob die Notwendigkeit, diesem Begehren nachzukommen, angemessen ist. Mit der Höflichkeit ist es jedoch nur selten ausreichend bestellt und ich muß mir überlegen, ob denn wenigstens Mitleid eine ausreichende Motivation für mich sein kann, nach meiner Brieftasche zu suchen und nachzusehen, ob ein passender Fahrschein an der Stelle zu finden ist, wo ich es gewohnt bin, meine Fahrscheine aufzubewahren. 
Derweil höre ich mir die diversen Drohungen des aufbegehrenden Kommandobrüllers an, zeige mich angemessen beeindruckt und entscheide mich widerwillig dafür, dem in unangemessener Tonart vorgebrachten Begehr nach Vorzeigen meines Fahrscheines nachzukommen, aus reiner Barmherzigkeit. 
Vielleicht hatte ich Glück und es konnte bis dahin der eine oder der andere Fahrgast ohne gültigen Fahrausweis durch die inzwischen an der nächsten Station geöffneten Tür entweichen, um seinen Fehler zu korrigieren.
Wenn der Spuk vorüber ist, hänge ich für gewöhnlich noch einige Zeit düsteren Gedanken nach und frage mich, ob eine ähnlich vorgehende Kontrolltruppe regelmäßig die Aufsichtsratssitzungen des BVG stürmt, um zu überprüfen, ob mal wieder Gelder für Finanzwetten investiert wurden anstatt Gleise und Waggons in Schuss zu halten und die Mitarbeiter ordentlich zu entlohnen. Oder ich frage mich, warum ich meine Fahrscheine in Sekundenbruchteilen Mitarbeitern einer Firma mit dubiosem Geschäftsmodell vorzeigen soll, während die Bahn dem an sie gestellten Auftrag nur mäßig nachkommt und statt auf pünktliche Abwicklung des Verkehrsbetriebes, auf Entschuldigungsautomaten setzt, die vollautomatisch und Gebetsmühlenhaft mit weiblich klingender Automatenstimme den Fahrgast, der bei Nieselregen und Schneetreiben mal wieder auf seine verspätete Bahn wartet, um Entschuldigung bittet.
Ich denke dann auch darüber nach, warum es überhaupt notwendig ist, Fahrscheine zu kaufen, um öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Jeder, der sein Auto stehen läßt, oder gar keins erst hat und statt dessen mit Öffentlichen, dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs ist, tut Gutes für die Umwelt, seine Mitmenschen und sich selbst und sein Verhalten sollte gefördert werden. Um es einmal ein wenig provokativ auszudrücken, eigentlich sollte man Geld bekommen, statt dafür zahlen zu müssen, dass man so viel Gutes für die Menschheit tut. 
Ist mein Zorn dann verraucht, frage ich mich, warum dieses sonderbare System der Fahrgastverärgerung eigentlich existiert. Wenn ich mir die bunten Werbeprospekte der Öffentlichen Verkehrsbetriebe ansehe, so finde ich immer nur gut aussehende, glückliche Menschen abgebildet, die fröhlich Busse, Bahnen und Schiffe bevölkern. Also könnte ich, oder besser, sollte ich doch vermuten, dass die ÖPNV's nichts anderes im Sinn haben, als ihre Fahrgäste zu eben solchen glücklichen Menschen zu machen. Ich unterstelle einfach einmal, so ist es, aber - irgendwo in den unendlichen Weiten der Verwaltung der Öffentlichen Verkehrsbetriebe hat sich offensichtlich ein Wesen eingenistet, wohl geschmiert von der Öl- oder Autoindustrie, oder noch schlimmer, den Banken, so ein richtiger Quertreiber und Miesepeter, der sich immer wieder einen Trick ausdenkt, mit dem er dem glücksuchenden Fahrgast die Laune vermiesen und dem Ansehen der öffentlichen Verkehrsbetriebe schaden kann. 
Ach ja, Zahlen: Die Einnahmen des BVG aus Fahrgastgeldern ohne das "Erhöhte Entgeld" sind etwa 600 Millionen pro Jahr, der BER kostet die Stadt laut Spiegel 20 Millionen im Monat - passt doch!

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